Mittwoch, 22. April 2009

Presse Matthäuspassion in Bruchsal 2004

Bruchsaler Rundschau Nr. 63 vom Dienstag, 16. März 2004 - Seite 14

Im Dienst der Glaubensverkündigung

Glanzvolle Aufführung von Bachs "Matthäus-Passion" in der Bruchsaler Paulskirche

Sieger bleiben nicht die heuchlerischen Hohenpriester, Schriftgelehrten, Pharisäer und anderen "Kreuziger", die Passion Jesu findet ihr Ende nicht in der Grabesruhe, sondern kulminiert in der glorreichen Auferstehung am dritten Tag mit dem Vermächtnis an uns, dass Jesus Christus aus Liebe zu uns Menschen und insbesondere für die Sünder und deren Erlösung gestorben ist. Wenn auch die Matthäuspassion aus der genialen Feder des fünften Evangelisten alias Johann Sebastian Bach mit der Grabesruhe Jesu endigt, konnte ein kontemplatives Zelebrieren dieses "opus summum", dieses "höchsten Werkes" in der Bruchsaler Pauluskirche den Durchblick fürs "Ganze" öffnen. Gott sei Dank gibt es noch geistliche Konzerte, die nicht nur dem musikalischen Selbstzweck eines möglichst hohen künstlerischen Niveaus dienen, sondern sich in den Dienst der Glaubensverkündigung stellen.

Mit Bezirkskantor Leo Langer stand der Bruchsaler Aufführung ein Kirchenmusiker vor, der den Verkündigungsauftrag ernst nahm. Es ist die nicht handhabbare emotionale Dimension, welche die riesige Schar an Mitwirkenden verinnerlicht hatte und an das Publikum im vollbesetzten Gotteshaus versprühte. Fesselnd wären alleine schon die Äußerlichkeiten bei diesem Passionskonzert gewesen. Die katholischen Kantoreien Bruchsal und Eberbach bildeten den geforderten Doppelchor, der Jugendchor San Taddeo Neureut übernahm die sopranistischen Ripienostimmen. In historischer Disposition hatte das üppig besetzte Barockorchester "l'arpa festante" aus München Platz genommen. Fünf exzellente Solisten komplettieren das Ensemble, welches nahezu vier Stunden gefordert ist.

Unermesslich sind Vorbereitungszeit und Aufwand, der sich mehr als gelohnt hat. Die beiden Chöre ergänzten sich vortrefflich, gestalteten die Choräle in verständlicher Diktion und inhaltslogischer Dynamik und Agogik. Langer formte die bisweilen vornehm-lyrische Eberbacher und die gleichermaßen strahlendüberzeugende Bruchsaler Kantorei zu einer homogenen Einheit. Dem Tenor Jürgen Ochs schien die Rolle des Evangelisten in seiner deutlichen Artikulation und überzeugenden Rezitationstechnik wie auf den Leib geschneidert zu sein. Die demutsvolle tiefe "vox christi" hätte mit Thomas Herberich, dessen wohltuende, gleichsam sedative Sonorität und sympathische Expressivität besonders gefielen, kaum idealer besetzt werden können. Hubert Wild gestaltete die Partien der übrigen männlichen Soliloquenten und die Bassarien mit Pathos und emphatischem Ausdruck. Sabine Götz (Sopran) und Susan Marquardt (Alt) erwiesen sich als Spezialistinnen hinsichtlich einer sängerischen barocken Aufführungspraxis. Ihre schlanke Tongebung erlaubt viele Feinheiten im Bereich der musikalischen Rhetorik und Poetik.

Aus ebensolchen instrumentalen Experten setzt sich das renommierte Barockorchester "l'arpa festante" zusammen, welches auf historischen Instrumenten einwandfrei und professionell agierte. Ein emotionales Eintauchen mancher Instrumentalisten hätte sich nicht nur in einer dynamisch differenzierteren Interpretation niedergeschlagen, sondern einmal mehr eine "Gänsehaut" hervorgerufen. Leo Langer bewies insbesondere bei den Accompagnato-Rezitativen seine dirigentische Meisterschaft. Einige Schweigeminuten am Ende der Passion demonstrierten sodann die Ergriffenheit von Publikum und Mitwirkenden, ehe die ersteren ihren berechtigten Dank und ihre Anerkennung in noch längeren Beifallsstürmen zum Ausdruck brachten.

Markus Zepp

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