Mittwoch, 11. Januar 2012

Balsam für die Seelen aller Trauernden

Balsam für die Seelen aller Trauernden
Großes gemeinsames Konzert der Kantoreien des evangelischen Kirchenbezirks Südliche Kurpfalz in der Stadtkirche in Walldorf
Walldorf. (cds) Für ihr großes Konzert am
Volkstrauertag hatten die Kantoren des
evangelischen Kirchenchores Hockenheim,
des Schwetzinger Vokalensembles
und der Kantorei an der Stadtkirche
Wiesloch die evangelische Kirche in
Walldorf gewählt, die ihr 150-jähriges
Bestehen feiert. Schon eine Stunde vor
Beginn strömten die Konzertbesucher in
das schöne, frisch renovierte neugotische
Gotteshaus. Bald waren die Bankreihen
restlos gefüllt und die zusätzlich aufgestellten
Stühle besetzt, sodass nur noch
Stehplätze angeboten werden konnten.
Über den Besucherandrang freute sich
Dekanin Annemarie Steinebrunner, die
das Projekt initiierte und tatkräftig unterstützte
– auch mit ihrer Stimme. Monatelang
hatten sich die über 150 Sänger
mit den Kantoren Christian Schaefer
(Wiesloch), Christian Bühler (Hockenheim)
und Detlev Helmer (Schwetzingen)
auf diesen Abend vorbereitet. So
entstand aus drei Chören ein homogener
Klangkörper, komplettiert durch das 40-
köpfigen Heidelberger Kantatenorchester.
Eine solche Klangfülle erfordern
nämlich das monumentale „Deutsche
Requiem“ von Johannes Brahms und
Psalm 42 „Wie der Hirsch schreit“ von
Felix Mendelssohn Bartholdy.
Wenn die Tage kürzer und kälter werden,
fühlen sich die Menschen an ihre
Endlichkeit erinnert und gedenken der
Verstorbenen. Trost bieten diese großen
Werke: „Psalm 42“ und das „Deutsche
Requiem“ sind als Musik für die Lebenden
zu verstehen. Balsam für die Seelen
aller Trauernden durften die Zuhörer in
der Stadtkirche erleben.
Mendelssohns Psalmvertonung erfreute
sich schon zu seinen Lebzeiten großer
Beliebtheit. Geheimnisvoll, wie aus
dichten Nebeln, setzte das gut disponierte
Orchester ein. Der erste Choreinsatz
gehörte dem Alt, der mit „Wie der
Hirsch schreit nach frischem Wasser“
lieblich das Thema vorstellte, das die übrigen
Stimmen nach und nach aufnahmen
und kontrapunktisch verarbeiteten.
Eindrucksvoll ließen die Sänger der
Schwetzinger und Wieslocher Kantoreien
unter der Leitung von Christian
Schaefer das Werk erklingen. Im Gegensatz
zu den harten Worten des Psalms
verbreitete der weichtönende Eingangschor
Frieden und Trost. Mit großer Präsenz
glänzte der Chor.
Die anschließende Arie „Meine Seele
dürstet nach Gott“, ergreifend gesungen
von Sopranistin Josefa Kreimes, führte
einen innigen Dialog mit der meisterlich
spielenden Solo-Oboe. Wunderschön gelang
das Zwiegespräch zwischen Sopranistin
und dreistimmigem Frauenchor.
Josefa Kreimes, die von der Kanzel aus
sang, beeindruckte mit ihrem warmen
Sopran. Stimmgewaltig setzten die Tenöre
und Bässe im vierten Satz ein. Unter
die Haut ging das wunderschöne
Quintett „Der Herr hat des Tages verheißen
seine Güte“ der Männerstimmen
zusammen mit dem Solosopran. Zutiefst
beeindruckte die machtvolle Schlussfuge
„Preis sei dem Herrn“.
Brahms beschäftigte sich mehr als ein
Jahrzehnt mit seinem „Requiem“. Der
Tod seines Freundes Robert Schumann
und der seiner Mutter hatten ihn erschüttert
und veranlasst, sich mit Tod und
Ewigkeit auseinanderzusetzen. Und vermutlich
wollte er seinem Rivalen Wagner
ein ebenbürtiges Werk präsentieren
– und ihm gelang damit der Durchbruch.
Er ging neue Wege und wählte tröstende
Texte aus der Lutherbibel, damals revolutionär,
zumal Christus als Erlöser
nicht vorkommt. Text und Musik berühren
die Menschen bis heute zutiefst.
Clara Schumann sagte, das „gewaltige
Stück“ wirke „erschütternd und besänftigend“:
Zwischen diesen Polen pendeln
die sieben Sätze des Requiems.
In tiefen Klangregistern, mit erdiger
Färbung, setzte das Orchester unter
Christian Bühler ein. Zart ließen die Chöre,
um die Sänger aus Hockenheim erweitert,
das „Selig sind, die da Leid tragen“
erklingen. Der Chor überzeugte als
ausdrucksstarker Klangkörper. Gleich
einem Trauermarsch erklang der zweite
SatzundjagtedenZuhörernSchauerüber
den Rücken, zumal ihn aufwühlende Orchesterklänge
und düstere Paukenschläge
begleiteten. Im gleichen Satz
wurde der Vergänglichkeit mit dem „So
seid nun geduldig, Ihr lieben Brüder“ die
Ewigkeitshoffnung entgegengesetzt.
Hervorragend gelang der Dialog zwischen
Bariton Thomas Herberich und
Chor im „Herr lehre doch mich“. Herberich,
der auch von der Kanzel sang,
überzeugte mit weichem Schmelz, aber
auch mit kraftvollem Zupacken. Detlev
Helmer dirigierte die letzten drei Sätze.
Traumhaft gestaltete Sopranistin Josefa
Kreimes die zu Herzen gehende Arie „Ihr
habt nun Traurigkeit“.
Im sechsten Satz erschollen machtvoll
die „letzten Posaunen“, brauste das
Orchester und jagten sich apokalyptische
Bilder von Tod und Hölle. Chor, Solist
und Orchester verschmolzen in einem
erschütternden Aufschrei. Dieses
furchterregende Toben in c-moll mündete
im feierlichen Hymnus „Herr, du bist
würdig zu nehmen Preis und Ehre“ in
strahlendem C-Dur. Die Freuden der
Ewigkeit ließ der zarte Schlusschor „Selig
sind die Toten“ erahnen.
Nach einem kurzen Moment atemloser
Stille brandete nicht enden wollender
Beifall auf. Die begeisterten Zuhörer
erhoben sich von ihren Plätzen und zollten
den Mitwirkenden ihre Anerkennung
für diese großartige Leistung.