Mittwoch, 23. März 2011

KONZERT „Musik zum Buch Hiob“ in Kleiner Kirche Alzey

Zu Unrecht vergessene Meister

16.03.2011 01:00 Uhr - ALZEY

KONZERT „Musik zum Buch Hiob“ in Kleiner Kirche

(jwg). Weitgehend unbekannte Kompositionen standen beim Konzert der Evangelischen Kirchengemeinde unter dem Titel „Musik zum Buch Hiob“ in der Kleinen Kirche auf dem Programm. Der Bassist Thomas Herberich und Jürgen E. Müller an der Stumm-Orgel beeindruckten die Zuhörer mit ihrem ausdrucksstarken Vortrag und einer Auswahl wenig gehörter Meisterwerke.

Eine Ausnahme bildete die zweite Orgelsonate in c-moll von Felix Mendelssohn-Bartholdy. Sie gehört zu den Meisterwerken der romantischen Orgelkunst. Voller reizvoller, zukunftsweisender Harmonien und klassisch-romantischer Melodieführung, ist sie doch deutlich von ihren barocken Vorbildern geprägt.

Von Samuel Scheidt und Johann Gottfried Walther stammen die Orgelchoräle zu „Mitten wir im Leben sind mit dem Tod umfangen“. Deutlich war der Unterschied der frühbarocken, vom Organisten durch eine altertümliche, grellfarbene Registrierung unterstützten Bearbeitung Scheidts zu der ausladenden, hochbarocken Version Johann Gottfried Walthers zu erkennen. Mit Sebastian de Brossards Kantate „O plenus irarium dies“ stand ein weiteres barockes Werk eines offenbar unterschätzten Komponisten auf dem Programm. De Brossard, eigentlich mehr als Sammler und Herausgeber von alter Orgelmusik bekannt, beherrschte alle Mittel der barocken Kompositionskunst: Ausdruckskraft, Dramatik, musikalische Symbolik, dazu natürlich alle Formen polyphoner Satztechnik. Thomas Herberich belebte das Stück zusätzlich mit seinem Gestaltungsreichtum. Von dramatischen Ausbrüchen über lange Koloraturpassagen bis zu ruhigen, zarten Tönen überzeugte er vollkommen mit seiner kräftigen, sonoren Bassstimme, die bei diesem Stück große Flexibilität und darüber hinaus auch einen großen Tonumfang erfordert.

Dass Thomas Herberich auch ein überzeugender Rezitator ist, stellte er mit seinem Vortrag ausgewählter Passagen aus dem Buch „Hiob“ unter Beweis. Diese bilden die Grundlage für die spätromantisch, teilweise auch impressionistischen Orgelzwischenspiele des schwedischen Komponisten und Organisten Oskar Lindberg. Dem gewaltigen Stoff angemessen schwer und tiefgründig, sind diese Musikstücke dennoch ansprechend.

Von Johann Rosenmüllers, einem wiederum fast vergessenen, aber durchaus bedeutsamen Barockkomponisten mit abenteuerlicher Lebensgeschichte, stammt die Kantate „Von den himmlischen Freuden“ für Bass und Basso continuo, welche den Abschluss dieses hochinteressanten Konzertes bildete.

„Wirf Dich in den Staub” Pressestimme zum Konzert am 15.03.11 in der Schloßkirche Bad Dürkheim

„Wirf Dich in den Staub”

Herberich und Müller bieten beim Konzert zur Passionszeit in der Schlosskirche alttestamentarische Strenge

Von Inge Kirsch

Bad Dürkheim. „Beuge Dich, o Menschenseele" lautet der Titel einer „geistlichen Szene für mittlere Stimme und Orgel” des aus Mannheim stammenden, 2009 verstorbenen Komponisten Giselher Klebe. Das Stück gab auch dem Konzert zur Passionszeit den Namen, das der Bass-Bariton Thomas Herberich und Jürgen E. Müller an der Orgel am Dienstag in der Schlosskirche in Bad Dürkheim aufführten.

Ein jäh einsetzender, langgezogener Ton der Orgel und die ebenso jäh einsetzende, voll tönende Stimme des Bass-Baritons klangen, als wenn einer der alten Propheten das Volk zur Umkehr riefe. In einem dramatischen zwölftonigen Vortrag werden die Allgewalt Gottes und die Nichtigkeit des Menschen beschworen. Des Menschen lächerliche Arbeiten, die er gegen die dröhnende Macht Gottes zu verteidigen sucht, seine schwachen Argumente, werden in meckernden, disharmonischen Tönen der Orgel abgetan, die Arbeiten Gottes laut bis schrill intoniert. Die Orgel braust förmlich bei der Aufforderung „Wirf Dich in den Staub vor Deinem Herrn und Gott!”, die Singstimme ist kaum noch zu hören. Die Beschwörung der „fliehenden Menschenseele” sich zu demütigen wird oft von lang anhaltenden Orgeltönen dramatisch unterstrichen. Endlich aber kommt der Lohn der Demütigung, die Farben der Musik hellen sich auf, die Töne steigen an, der Mensch wird als Kind Gottes in dessen Herrlichkeit aufgenommen.

Die folgenden Orgelchoräle zu Lied 518 des Evangelischen Gesangbuchs „Mitten in Leben sind wir vom Tode umfangen” entsprachen dann wieder mehr den vorherrschenden Hörgewohnheiten. Sie sind auch thematisch verbunden mit dem folgenden „O plenus irarium dies” des französischen Barockkomponisten Sebastien de Brossard. Der Tag des Zornes Gottes und des Untergangs der Welt wird von Thomas Herberich souverän mit diffizilen Koloraturen gestaltet. Die „Stürme des Untergangs” gehen über in ein sanft klingendes, nicht von Angst verzerrtes kindliches Gottvertrauen.

Ganz anders die Musik zum Buch Hiob des spätromantischen schwedischen Komponisten Oskar Lindberg: Hier wechseln sich Orgel und Rezitation ab. Der Sänger erzählt die Geschichte des Hiob. Die Personen, Hiob, seine Frau, seine Besucher, der Teufel und Gott, werden durch das Orgelspiel charakterisiert. Nur einmal, als Hiob Gott angeklagt hat und dieser ihm antwortet, im Wendepunkt der Geschichte, dem „Melodram”, erklingen Stimme und Orgel gemeinsam. Gott in seiner Macht verweist Hiob auf seinen Platz in der Schöpfung, seine beschränkte Einsicht berechtigt ihn nicht, mit Gott zu hadern, egal, welche Strafen er ihm schickt. Oskar Lindberg hat dieses Stück in Zusammenarbeit mit dem Schauspieler Anders de Wahl geschrieben, und Thomas Herberich war hier auch in seinen schauspielerischen Fähigkeiten gefordert. Die sonore Stimme Gottes kontrastierte er merklich mit der metallisch gepressten Stimme des Satans und dem hämischen Ton von Hiobs Frau.

Hiob wird schließlich doch noch von Gott entschädigt und belohnt, so, wie es auch im letzten Stück, „Von den himmlischen Freuden” versprochen wird. Der Barockkomponist Johann Rosenmüller, der von seinen Reisen den italienischen Stil kannte, zeigt hier eine Form der symmetrisch konstruierten Solo-Kantate. Warnend werden die Menschen beschworen, ihr Heil nicht zu verspielen. Das Konzert endet mit einem vielfach wiederholten Amen, so sei es, „dass wir nach dem Tod erstehen, dass wir Gott im Glanze sehen.” So getröstet konnte das nicht sehr zahlreich erschienene Publikum seinen reichlichen Applaus für ein sehr vielfältiges Konzert spenden. Thomas Herberich war etwas erkältet und musste sich ab und zu räuspern, das tat aber der Qualität seines Vortrags keinen Abbruch.

Requiem von Herbert Blendinger in Maudach

Homogener Klang

Requiem von Herbert Blendinger in Maudach

Von Uwe Engel

Die Aufführung eines Werks ihres 75 Jahre alt gewordenen Bruders, des Komponisten Herbert Blendinger, war der große Wunsch von Roselore Poignée-Blendinger. Diese war lange Solocellistin der Staatsphilharmonie und ist heute Vorsitzende des Kulturförderkreises in Maudach. Im dortigen Gemeinschaftssaal konnten die Besucher nun mit Blendingers Requiem ein ebenso unbekanntes wie hochinteressantes Chorwerk kennenlernen.

Der 1936 als Spross einer fränkischen Musikerfamilie geborene Herbert Blendinger war als Kammermusiker in verschiedenen Ensembles und als Solobratschist bei den Bamberger Sinfonikern und beim Bayerischen Staatsorchester in München tätig. Später dann hatte er eine Professur für Viola an der Musikhochschule in Graz. Er wirkte dabei immer auch als Komponist fast aller Gattungen und wurde für sein Oeuvre auch mit Preisen ausgezeichnet. Sein Requiem op. 75 für Chor und Orchester und zwei Gesangsstimmen entstand vor zehn Jahren. Uraufgeführt wurde es im Dom von Graz.

Die deutsche Erstaufführung fand 2008 in Bad Dürkheim statt, auf Initiative und unter Leitung des Dürkheimer Kirchenmusikdirektors Jürgen E. Müller. Mit denselben Interpreten war das Werk nun in Maudach zu hören: der Kleinen Cantorey Bad Dürkkeim und den Kammersolisten Ludwigshafen. Wobei die Namen der Ensembles leichte Untertreibungen sind. Die Kleine Cantorey ist ein stattlicher mit 40 Stimmen besetzter Chor, und die Kammersolisten sind ein ausgewachsenes Sinfonieorchester in voller Bläser- und etwas reduzierter Streicherbesetzung, bestehend vor allem aus Mitgliedern der Staatsphilharmonie.

Blendingers Requiem ist ein interessantes Werk, geprägt von musikalischer Frische, abwechslungsreich und spannend vom ersten bis zum letzten Takt. Blendinger ist kein Avantgardist. Die Musik bleibt stets tonal, ist aber voller ungewöhnlicher harmonischer Wendungen in Harmonik und Melodik. Das Kyrie ist nicht von verhaltener Innerlichkeit, sondern von lautstarken Rufen bestimmt, und expressiv stellen sich auch die andern Teile dar.

Jürgen E. Müller hat mit seiner Kleinen Cantorey hervorragende Arbeit geleistet. Die Tempi stimmen durchweg, sodass sich die Musik entfalten kann, der homogen klingende Chor singt bei der anspruchsvollen Materie immer präzise und klar, dabei prägnant phrasierend. Sicher und klangvoll auch das Orchester, wenn auch gelegentlich in der vollen Besetzung eine Kleinigkeit zu mächtig für den kleinen Saal, was auch an der farbigen, aber dichten Instrumentation des für die Aufführung in einem großen Dom konzipierten Werks lag. Eindringlich gestaltete die Mezzosopranistin Susanne Kraus-Hornung ihren Solopart, ein großartige Leistung lieferte auch der Bassbariton Thomas Herberich.