Mittwoch, 4. März 2009

100 Jahre Reger-Orgel in Bad Salzungen: Gefeiert mit einem ebenso außergewöhnlichen wie eindrucksvollen Konzert.

Bad Salzungen – Dass es keine glamouröse Geburtstagsgala, kein rauschendes Festbankett braucht, um den 100. Geburtstag einer ehrwürdigen Jubilarin angemessen zu feiern, bewies die evangelische Kirchgemeinde Bad Salzungens: Sie beging das langjährige Bestehen ihrer prachtvollen Reger-Sauer-Orgel viel passender mit einem ebenso außergewöhnlichen wie beeindruckenden Konzert. Dessen Programm nicht nur dem des Einweihungskonzertes von 1909 entsprach, sondern auch am gleichen Tag, zur selben Stunde wie vor 100 Jahren in der Stadtkirche „St. Simplicus“ aufgeführt wurde. Und das besonders mit dem letzten Teil für nachhaltige Ergriffenheit, für seelenvolle Bewegtheit beim begeisterten Publikum sorgte – damals sicher ebenso wie heute.
Neben der Ökumenischen Stadtkantorei Bad Salzungen/Dermbach und dem Motettenchor, neben Solisten und dem Mitteldeutschen Kammerorchester verlieh auch das Geburtstagskind höchstselbst mit seinen drei Manualen und 41 Registern dem Festabend besonderen Glanz. Sorgte die ruhige „Prélude“ von Alexandre Guilmant noch für einen gemessenen Auftakt, so präsentierte sich die Salzunger Königin der Instrumente später bei der „Fantasie in C-Moll“ von Adolph Friedrich Hesse herrlich kraftvoll brausend und machtvoll. In energischen Dreiklängen, kunstvoll gespielt von Gewandhausorganist Michael Schönheit, leuchtete das Adagio, fesselte die Zuhörer mit intensivem Ausdruck. In ruhigere Gefilde steuerte das Orgelschiff seine Zuhörer beim anschließenden Andante graciosa, verzauberte mit diesen einfach nur wunderschönen, geheimnisvoll-stumpfen, zurückgenommenen Tonmelodien. Um sich schließlich hypnotisch, weltverschlingend, von überirdischer Größe kündend, im fantastischen Finale Bahn zu brechen.
In sanften Harmonien richtete der Motettenchor, verstärkt von der Stadtkantorei, mit dem „Salvum fac regem“ von Karl Löwe einen musikalischen Dank an Herzog Georg II. Denn es war der Theaterherzog, der der Kirchgemeinde damals die Orgel schenkte.
Eine Vielzahl heute nur noch selten gespielter Kompositionen machte das Festkonzert zu einem besonderen Hörerlebnis. Die alles andere als angestaubten Stücke ließen auch das Jahr 1909, das Leben, Denken und Streben der Menschen damals mit ernsthaftem Charme lebendig werden. Neben urchristlichem Chorgesang beim „Adoramus te“ von Giovanni Pierluigi Sante aus Palestrina, bei dem der Hörer unmittelbar und bewegend an dem Leiden Jesu am Kreuz teilhatte, trugen die Chormitglieder auch eine weihevolle, in hellen Stimmen schwelgende Komposition des Salzunger Kirchenmusikdirektors Bernhard Müller für den damaligen Knabenchor vor. „Vergiss mein nicht, mein allerliebster Gott“, flehte der berührende, klare Sopran Nicole Umbreits, erst allein, dann im Duett mit Tenor Rüdiger Husemeyer und endlich im überströmenden geistlichen A-cappella-Gesang des Chores.
Absolutes Highlight des Geburtstagskonzertes aber waren die Auszüge aus dem Oratorium „Paulus“ von Felix Mendelssohn Bartholdy. Mit einer lieblichen Arie von Sopranistin Nicole Umbreit begann der „Tod des Stephanus“. Innig spielten dazu die Geigen des Mitteldeutschen Kammerorchesters, das Flötenspiel rührte mit anmutigen Weisen. Doch bald schlug die Stimmung um: Dramatisch hetzten nun die Geigen, aufwühlend alarmierten die Hörner, schlugen die Trommeln im grollenden Takt, wisperte, rief und schrie der wogende, fordernde Chor: „Steinigt ihn!“ Der Aufregung folgte die tiefe Trauer: In wehmütigen Worten ließ Tenor Rüdiger Husemeyer den Tod des Märtyrers Gewissheit werden, klagte der Chor in zu Tränen rührendem Gesang.
Die „Bekehrung des Paulus“ machte sich zunächst mit einer wütenden Bariton-Arie von Thomas Herberich Luft, begleitet von aufreizendem Trompetenklang. Beim ergreifenden „Damaskuserlebnis“, wo Saulus sich zu Paulus wandelt, sang der Chor als Vision Jesus, der den bekehrten Pharisäer auffordert, sich aufzumachen und Licht zu werden. Jubilierend und fanfarengleich hell triumphierte der Chor im Schlussteil, kündete vom Wunder der Bekehrung, wie schon das ganze Konzert über meisterhaft und sicher dirigiert von Kantor Hartmut Meinhardt. Er und alle seine Sänger und Musiker sorgten mit ihrer Wiederholung des Einführungskonzertes für eine wirklich angemessene, unvergessliche Ehrung des gelassen über allen thronenden Geburtstagskindes in der Stadtkirche. an